Beckenboden-Training für Frauen und Männer

Im folgenden Text lernen Sie die Funktionen und Aufgaben dieser speziellen Muskeln kennen. Sie erfahren, warum diese für die Stabilität, die Kontinenz, die Sexualitität und den Schutz der Organe wichtig sind und warum Sie die tiefen Bauch- und Beckenbodenmuskeln nach einer Schwangerschaft oder nach einer Prostataoperation wieder langsam aufbauen sollten. Aber wissen Sie auch, wie Sie die Beckenbodenmuskeln anspannen und im Alltag sinnvoll einsetzen können? Viele praktische Tipps, Anregungen und Übungen sollen Sie auf dem Weg zu einer starken Mitte unterstützen.

1. Was ist der Beckenboden und welche Aufgaben hat er?

Als Beckenboden bezeichnet man viele kleine Muskeln, die in 3 Schichten übereinander das knöcherne Becken abschließen. Diese Muskelplatte ist ähnlich einer Hängematte, die auf Veränderungen reagieren kann und reaktiv (unbewusst) aber auch aktiv durch eigenen Willen angespannt oder lockergelassen werden kann.

Der Beckenboden muss einiges leisten und hat sehr vielfältige Aufgaben:

  • Als „Hängematte“ stützt er die Organe im kleinen Becken (Blase, Gebärmutter,…). Im aufrechten Gang und bei dynamischen Bewegungen (z.B. Springen) zieht die Schwerkraft diese Organe nach unten und der Beckenboden hält entgegen. Tut er das nicht, kann es passieren, dass sich z.B. die Gebärmutter nach unten senkt und sogar aus der Vagina heraustritt (Prolaps).
  • Durch die willkürliche Anspannung  des Beckenbodens kann die Harnröhre, aber auch der Darmausgang verschlossen werden und die Entleerung bewusst gesteuert werden. Gelingt das nicht, weil die Muskeln zu schwach sind und/oder nicht angesteuert werden können, kommt es, je nach Schweregrad, zum Verlust von einzelnen Tröpfchen Harn beim Niesen oder Husten oder auch zur stärkeren Inkontinenz (Harn oder/und Stuhl).
  • Der Körper ist kein starres System, sondern reagiert ständig auf die aktuelle Situation. Bei jedem Atemzug ändern sich die Druckverhältnisse im Bauchraum (und auch im Brustkorb) durch die Bewegungen des Zwerchfells (dem Hauptmuskel für die Einatmung). Wenn wir uns verschlucken und husten, müssen wir Druck aufbauen, damit wir das falsch gelandete Stückchen aus der Luftröhre hinausbefördern können. Wenn wir uns bewegen und unsere Körperposition verändern, wirkt die Schwerkraft auf andere Stellen und sofort arbeiten andere Muskeln.
  • Aus diesen Gründen wirkt der Beckenboden gemeinsam mit einigen Muskeln (Zwerchfell, Rücken, Bauch,…) an der Stabilität der Wirbelsäule, des Beckens und auch den Hüftgelenken mit. Egal ob Rückenschmerzen durch Schwäche oder Überbeweglichkeit oder Problemen mit den Hüftgelenken (z.B. Arthrose, bei Hüftdysplasie,…) entstanden sind, sollte auch die Beckenbodenmuskulatur in der Therapie/ im Training miteingebunden werden.
  • Der Beckenboden hat auch Einfluss auf die Sexualität, da diese Muskeln am männlichen und weiblichen Orgasmus beteiligt sind. Weitere Informationen zu Beckenboden und Sexualität finden Sie hier: Beckenboden und Sexualität | aks gesundheit Vorarlberg

Bilder unterstützen Ihre Vorstellung:

Hier finden Sie ein Video zur Anatomie des Beckenbodens: 3D Animation: So funktioniert der Beckenboden – YouTube

2. Beckenboden anspannen? Wie geht das?

Es gibt sehr viele verschiedene Anleitungen und Erklärungen dazu, wie die Beckenbodenmuskulatur aktiv angespannt werden kann.  Manche Erklärungen sind eher blumig, manche sehr sachlich und funktionell. Ich denke, es ist sinnvoll verschiedene Anleitungen auszuprobieren und zu spüren: „Was macht das mit mir?“, „Wie und wo fühle ich die Anspannung oder Aktivität?“

Verschiedene Menschen können mit unterschiedlichen Bildern und Erklärungen ihren Beckenboden wahrnehmen und dadurch auch bewusst aktivieren, was zu einer Kräftigung führt. Es ist wichtig, diese Muskeln auch (bewusst) entspannen zu können. Hier finden Sie verschiedenste Anleitungen und Erklärungen für die gleiche Sache:

Beckenboden anspannen:

  • Der Beckenboden ist der Verschluss der Harnröhre. Stellen Sie sich vor, Sie müssen dringend auf die Toilette und versuchen den Drang zu unterdrücken. Oder Sie stoppen den Harnstrahl kurz beim Urinieren in Ihrer Vorstellung. (Bitte tun Sie das nicht wirklich sondern nur in Gedanken, denn das regelmäßige Stoppen beim Urinieren kann z.B. zu Restharnbildung führen.) Spüren Sie, wie sich Ihr Beckenboden nach innen zieht und verschließt? Vielleicht fühlt es sich wie ein Ziehen an?
  • Ziehen Sie aktiv die beiden Sitzbeinhöcker (die beiden prominenten Knochen auf der Unterseite Ihres Gesäßes) zusammen, sodass der Abstand zwischen den beiden geringer wird. Oder: Nähern Sie das Schambein und das Steißbein an. Stellen Sie sich vor, der Abstand zwischen den beiden wird kleiner.
  • Ziehen Sie die Vagina nach innen  bzw. versuchen Sie die Hoden hoch zu ziehen. Oder ziehen Sie den Anus nach innen. Zu dieser Vorstellung gibt es in der Literatur öfter die Bilder „Lift fahren“ oder etwas „hineinsaugen“. Die Anleitung „Fahre mit dem Lift in den ersten Stock, dann in den zweiten und dann in den dritten Stock“ bezieht sich auf die Intensität. Für die Fahrt in den ersten Stock spannen Sie nur wenig an, dann etwas mehr….
  • Der Beckenboden reagiert mit kurzen reaktiven Anspannungen auf Stöße und Vibrationen: Gehen Sie mit bewusstem harten Aufsetzen der Ferse. Spüren Sie den Beckenboden nach innen/oben ziehen, wenn der Fuß am Boden aufprallt?

    Es geht auch sanft: Schieben Sie im beidbeinigen Stand abwechselnd einmal die rechte/linke Fußsohle fester in den Boden. Können Sie auch bei dieser zarten Bewegung die Reaktion der Beckenunterseite wahrnehmen?

Tipp im Alltag:

Spannen Sie den Beckenboden oft kurz im Alltag an: immer wenn Sie vom Sessel aufstehen oder immer wenn Sie etwas vom Boden hochheben! Sie trainieren in Ihrem Alltag und setzen Ihre Muskeln gezielt ein, dort wo sie benötigt werden.

3. Kann ich meinen Beckenboden überlasten?

Ja, das kann bei einem schwachen Beckenboden passieren. Der Körper benötigt Belastung. Ist diese für den aktuellen Zustand zu hoch, kommt es zu Überlastung. Dieses Prinzip gilt auch für den Beckenboden. Einerseits aktivieren Vibrationen (z.B. Training auf Vibrationsplatten), Schwingungen (z.B. Wippen auf Gymnastikball oder Balancieren auf einer Slackline) und Aufprall (Jogging, Trampolinspringen,…) den Beckenboden, aber andererseits sind diese Trainingsvarianten meisten zu intensiv für Menschen mit geschwächten Muskeln. Überlastung, Harnverlust, Gebärmutterabsenkung etc. können die Folge sein. Die Trainingsintensität muss dem aktuellen Zustand angepasst sein und langsam aufbauend sein.

Aus diesem Grund sollte bei gesundheitlichen Problemen (Absenkungen, Inkontinenz, nach Operationen, Schmerzen,…) nach Abklärung und Verordnung durch eine Ärztin oder einen Arzt Physiotherapie bevorzugt werden. Nach der Abklärung der Ursachen sind gezielte, angepasste Übungen der Weg zu langfristiger Verbesserung. Für Fragen und Einzeltermine wenden Sie sich gerne an mich!

4. Ist es egal in welcher Position ich den Beckenboden anspanne?

Der Beckenboden kann und soll in den verschiedensten Positionen und Körperhaltungen aktiviert werden, denn auch der Alltag ist vielseitig. Diese Muskeln sind in Positionen wie der Bauch- oder Rückenlage (z.B. mit aufgestellten Beinen) oder dem Vierfüßerstand entlastet (die Organe drücken nicht so stark hinunter) und dadurch sind sie empfohlene Haltungen zum Beginnen, da die Muskeln nur gegen wenig Widerstand arbeiten müssen.  Grundsätzlich sollte der Aufbau von leicht zu schwer sein. Das heißt, beginnen Sie in einer horizontalen Position (Rückenlage) und steigern Sie sich zur vertikalen (intensiven) Bewegung (Springen).

Aber für manche Menschen ist die Wahrnehmung genau dann leichter, wenn Druck auf dem Beckenboden lastet. Sie spüren ihn dann besser und deutlicher. In diesen Fällen, kann auch zu Beginn im Sitzen (mit aufgerichtetem Becken) oder im aufgerichteten Stand geübt werden. Die Wahrnehmung kann durch Druck von unten noch verstärkt werden:

Rollen Sie einen Waschlappen zusammen und legen Sie diese Rolle im aufrechten Sitzen unter Ihren Damm. Das ist die Stelle zwischen Vagina und Anus bzw. Hoden und Anus. Aktivieren Sie nun Ihren Beckenboden kurz und lassen Sie Ihn wieder los. Können Sie die Anspannung nun deutlicher wahrnehmen?

Ein einfaches, fachlich qualitatives Video mit Anleitung zur Aktivierung des Beckenbodens finden Sie hier:

Video kurz Anatomie + Basisübung Basisübung Beckenbodentraining – YouTube

5. Physiotherapie in der Schwangerschaft und der Rückbildung

In der Schwangerschaft verändert sich der Körper einer Frau bekanntlich. Das ist ein physiologischer und wichtiger Vorgang. Das Gewicht verändert sich und das Gewebe (z.B. die Bänder) wird aufgrund von Hormonen beweglicher. Das Bauch- und Brustgewicht verändert die Körperstatik und die Rückenmuskeln haben mehr zu arbeiten.  Manchmal sind die Rückenmuskeln überlastet und es kommt vor allem gegen Ende der Schwangerschaft zu Schmerzen und Verspannungen. Durch die hormonell  bedingten elastischen Bänder werden die Gelenke beweglicher und werden manchmal nicht ausreichend von der betreffenden Muskulatur gehalten. Es kommt zu Überlastungen und manchmal zu Schmerzen in diesen Gelenken. Häufig betroffen sind die Lendenwirbelsäule und die Füße. Einige Frauen entwickeln in der Schwangerschaft Senk- oder Plattfüße. Hier kann die Physiotherapie mit sanften Kräftigungsübungen in passender Ausgangslage unterstützen. Anderen Klientinnen hilft das Erlernen von entlastenden Positionen, Entspannungsübungen oder sanfter Massage.

Nach der Geburt dreht sich alles um das Neugeborene. Eine große Veränderung im Alltag. Manchmal bleibt den Müttern nicht viel Zeit und Energie um sich um den eigenen Körper zu kümmern. Die Rückbildung der körperlichen Veränderungen aus der Schwangerschaft braucht Zeit.

Die Bauch- und Beckenbodenmuskulatur, die in der Schwangerschaft stark gedehnt wurden, sollen wieder wahrgenommen und sanft aktiviert werden. Es ist wichtig, geduldig zu sein und nicht zu schnell mit intensiven Übungen zu beginnen. Kurzes Anspannen des Beckenbodens und der tiefen Bauchmuskulatur beim Ausatmen (sanft nach innen ziehen) sind ein passender Beginn.

Solange die Rectusdiastase (Spalte am Bauch zwischen den gedehnten geraden Bauchmuskelsträngen) noch vorhanden ist,  sollen keine Kraftübungen für die geraden und schrägen Bauchmuskeln gemacht werden. Also keine Sit-ups und Ähnliches. Anfangs soll auch das Aufsetzen von der Rückenlage über die Seitenlage erfolgen. Intensive und zu früh durchgeführte Übungen für die geraden Bauchmuskeln können die Rectusdiastase verschlechtern.

In weiterer Folge soll der gesamte Rumpf gekräftigt und fit für den Alltag gemacht werden. Individuell, je nachdem wo Schwächen entstanden sind oder schon vor der Schwangerschaft bestanden haben. Nach 6 – 8 Monaten sind auch intensive Aktivitäten wie Springen wieder möglich.

Tipp im Alltag!

Achten Sie bereits in und vor der Schwangerschaft auf Ihre Gesundheit. Aktivieren Sie sanft den Beckenboden und lassen Sie diesen danach bewusst los. Bleiben Sie in Bewegung und halten Sie Ihre Muskeln stark. Was Sie einmal aufgebaut und kennengelernt haben, kommt auch nach der Geburt oder einer Operation (z.B. Kaiserschnitt oder anderen Bauchoperationen) schneller wieder.

6. Haben Sie Verspannung oder Rückenschmerzen vom Heben und langen Stillen?

Das Heben und Tragen ist immer wieder Thema in den Gesprächen mit Frauen, die vor kurzem entbunden haben. Wie lege ich das Baby über das Geländer ins Gitterbett ohne dass es aufwacht und ohne dass mein Rücken schmerzt? Durch das viele Tragen erleiden manche Frauen Sehnenscheidenentzündungen und andere Überlastungen des Handgelenks oder der Schulter. Bei vielen Gelenken können Hilfsmittel wie Bandagen oder Schienen unterstützen. Langfristig ist es wichtig an der Haltung und der Stabilisation (Kraftaufbau und Teamwork der Muskeln rund um die Gelenke) zu arbeiten.

Durch Physiotherapie können manche Symptome in der Schwangerschaft gelindert werden. Nach Geburt und dem Wochenbett werden (zuerst) die tiefen Muskeln (Beckenboden und tiefe Bauchmuskulatur) sanft aktiviert und trainiert und der ganze Körper wieder fit und stark gemacht. Sollte es Begleitverletzungen oder Überlastungen aus der Schwangerschaft oder dem neuen Alltag geben, werden diese behandelt und durch Hilfsmittel unterstützt. Veränderungen der Haltung und Aufbau von Kraft und Stabilität verbessern die Symptome längerfristig.

Ich betreue Sie gerne bei Einzelterminen oder bei gutem Befinden (ab 6 Monate nach der Geburt) in der präventiven Beckenboden-Gruppe.

Tipp im Alltag!

Achten Sie beim Stillen auf eine angenehme Haltung. Nutzen Sie Hilfsmittel wie Stillkissen und Pölster, damit Sie entspannt sitzen oder liegen können.

Wenn es um Geburt, Rückbildung, Stillen und Versorgung des Neugeborenen geht, sind Hebammen die Spezialistinnen.

Mein Tipp in der Seestadt: Hebamme Jorinde Starke

7. Harnverlust beim Niesen. Ist das normal?

Nein, ein gesunder, kräftiger Körper kann Harn und Stuhl auch bei Belastung halten. Es gibt unterschiedliche Formen, Ursachen und Schweregrade einer Inkontinenz.

  • Stress- oder Belastungsinkontinenz: Es kommt zu unwillkürlichem Harnabgang wenn der Druck in der Blase  bzw. der Druck im Bauchraum den Druck in der Harnröhre übersteigt. Je nach Schweregrad kann das Verlust von Harn (oder Stuhl) beim Husten, Niesen oder Lachen oder beim Heben, Springen oder Aufsetzen oder bereits beim Umdrehen im  Bett bedeuten.

Tipp im Alltag:

„Hustendreh“: Drehen Sie den Kopf bewusst auf eine Seite, wenn Sie Husten oder Niesen. Das reduziert den Druck auf den Beckenboden.

  • Dranginkontinenz: Es kommt zu unwillkürlichem Harnabgang verbunden mit einem sehr starken Dranggefühl ohne dass die Blase besonders voll ist. Betroffene Menschen haben beim ersten „Melden“ der Blase das Gefühl sie können kaum noch die Toilette erreichen, obwohl sie gerade erst vor kurzem die Blase entleert haben.
  • Es gibt auch Mischformen (Stress- und Dranginkontinenz) und mehrere neurologische Ursachen (z.B. nach Nervenverletzungen, Verletzungen oder Erkrankungen des Rückenmarks oder des Gehirns wie Multipler Sklerose, Querschnittlähmungen etc.).

Abklärung der Ursache ist daher durch eine Ärztin oder einen Arzt erforderlich. In vielen Fällen (Stress-, Belastungs- und Dranginkontinenz) ist das Aktivieren und Trainieren der Beckenbodenmuskeln, die auch als äußerer Verschluss der Harnröhre und des Darms dienen, die Lösung.

8. Was tun bei Inkontinenz?

Sofern die Ursache nicht neurologisch ist und an schwachen Beckenbodenmuskeln liegt, beginnen Sie, wie weiter oben beschrieben, mit dem Wahrnehmen und Aktivieren des Beckenbodens:

  • Starten Sie in Positionen wie der Rückenlage bei leerer Blase und aktivieren Sie den Beckenboden nur kurz beim Ausatmen.
  • Dann versuchen Sie den Beckenboden beim Aus- und Einatmen zu halten.
  • Wählen Sie später eine senkrechte Position (Sitzen oder Stehen) während Sie die Muskeln anspannen und nach innen ziehen.
  • Achten Sie darauf nur die Beckenboden- und tiefen Bauchmuskeln (Bauch nach innen ziehen wie bei der Ausatmung) anzuspannen. Gesäß, Beine, Nacken, Gesicht bleiben entspannt J
  • Geduld und Ausdauer sind gefragt: Wenn Sie merken, dass Sie nicht mehr anspannen können, benötigen Sie eine Pause. Anfangs brauchen Sie schon nach kurzem (z.B. 4x Anspannen, Lockerlassen) ein paar Minuten Pause. Steigern Sie nur langsam um sich nicht zu überlasten. Üben Sie z.B. 1-2 Wochen in der Rückenlage bevor Sie in eine senkrechte Position wechseln.

Tipp im Alltag:

Bauen Sie das (kurze) Anspannen in Ihren Alltag ein: wenn Sie sich vorbeugen um aufzustehen, beim Hochheben von (schweren) Gegenständen, wenn sie den Druck durch die volle Blase spüren, um dann ganz langsam zur Toilette zu gehen.

9. Warum habe ich einen starken Drang, obwohl die Blase leer ist?

Der Blasenverschluss ist ein sehr komplexes System: Je voller die Blase ist, desto stärker schließen die unwillkürlichen Muskeln. Durch Dehnungsrezeptoren in der Blasenwand wird die Information an das Rückenmark weitergeleitet. Einerseits macht sich Harndrang bemerkbar, andererseits ändert sich das Zusammenspiel des sympathischen und parasympathischen Nervensystems zugunsten der Entspannung des Verschlusses. Es kann nun willkürlich entspannt und Harn gelassen werden.

Bei der Dranginkontinenz kommt es zu sehr häufigem Toilettengang ohne volle Blase. Dieses „vorzeitige“ Entleeren führt zu einer Störung des Systems. Die Folge ist, dass der Drang immer früher kommt. Da die Blase aber leer ist, kommt es manchmal zum Pressen und dieser Druck schwächt wieder den Beckenboden. Ein Teufelskreis. Dieser soll durch Aufschubstrategien durchbrochen werden, sodass die Zeit zwischen den Toilettengängen hinausgezögert werden kann. Probieren Sie aus, welche Varianten sich für Sie gut eignen:

Wenn Sie den Harndrang spüren,

  • üben Sie leichten Druck auf die Klitoris aus. Je nach Situation können Sie das mit Ihrer Hand tun (eventuell in der Öffentlichkeit versteckt hinter der Handtasche) oder schlagen Sie die Beine im Sitzen übereinander.
  • Gehen sie mit festem Schritt, sodass die Ferse auf dem Boden aufprallt. Oder machen Sie schnelle feste Schritte am Platz. Diese Methode kennen Sie vielleicht von Ihren Kindern, die diese Zappel-Schritte automatisch unbewusst machen, wenn sie dringend zur Toilette müssen.
  • Lutschen Sie ein Zuckerl. Diese Strategie kommt auch von den kindlichen Reflexen: Säuglinge urinieren nicht, während sie saugen. Lutschen und Saugen kann daher den Toilettengang hinauszögern.
  • Spannen Sie den Beckenboden an und stellen Sie sich vor, wie Sie die Harnröhre verschließen.
  • Entspannen Sie sich geistig: „Ich habe genug Zeit, die Blase ist halb leer.“

Auf keinen Fall:

  • Kein vorsorgliches auf die Toilette gehen, wenn Sie jetzt keinen Drang haben. Verlangen Sie das auch nicht von Ihren Kindern z.B. vor einer Autofahrt. Sie könnten damit auf die gesunde Blasenfunktion irritieren.
  • Kein Hetzen, kein Abstoppen des rinnenden Harns. Nehmen Sie sich Zeit für den Toilettengang: Entspannen und Loslassen, statt schnell pressen. Lassen Sie den Harn rinnen bis nichts mehr kommt. Eine aufgerichtete Sitzhaltung (Rücken eher hohl) kann Sie beim Urinieren unterstützen. Eine runde Sitzhaltung kann den Stuhlgang erleichtern.

Ich war auf der Suche nach qualitativen Berichten und Filmen zu diesem Thema. Auf der Webseite der Medizinischen Kontinenzgesellschaft MKÖ – medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich und deren You-Tube-Kanal bin ich fündig geworden. Hier finden Sie viele interessante und qualitative Informationen zum Thema Kontinenz und Beckenboden.

Anonyme Kontinenz-Beratung wird kostenlos vom Fond Soziales Wien angeboten.

10. Wohin wende ich mich, wenn ich Unterstützung brauche?

Inkontinenz ist bei Frauen und Männern nicht selten und leider immer noch ein Tabu. Finden Sie sich nicht damit ab, sondern werden Sie aktiv und verbessern Sie Ihre Lebensqualität durch eine verbesserte Beckenbodenfunktion.

Sie haben in diesem Artikel viele Informationen zu den Aufgaben und Funktionen des Beckenbodens erfahren und gelernt, wo er sich befindet und wie Sie diese Muskeln aktivieren und trainieren können. Über den Beckenboden, Übungen und Zusammenhänge gibt es viel zu berichten. Dieser Artikel bietet einen kleinen Überblick, mögliche Übungen und Tipps für den Alltag.

Ich biete Einzeltherapie mit ärztlicher Verordnung bei Rückenbeschwerden, Inkontinenz und Rückbildung nach Geburt an. Nach der ausführlichen Anamnese und dem Befund klären wir Ihre Fragen und arbeiten gemeinsam an Ihrem individuellen Übungsplan, damit sich Ihre Symptome verringern.

In der Gruppe ist es leichter langfristig zu üben. Kommen Sie in die Beckenboden-Gruppe und trainieren Sie gemeinsam.

Haben Sie noch Fragen?

Weitere Ansprechpartnerinnen und -partner sind Ihre Ärztin oder Ihre Arzt, Hebammen wie Jorinde Starke, anonyme Beratung z.B. beim Fond Soziales Wien.